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Von stinkenden Socken

 
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Tante Lül
Unsichtbarkeitsspezialistin



Anmeldungsdatum: 05.07.2004
Beiträge: 1178
38.253 Worte gesamt
Wohnort: im 3. Stock, links

BeitragVerfasst am: 01 Jul 2005 21:33 
   Titel: Von stinkenden Socken
Antworten mit Zitat

Warnung:
Die nun folgende Geschichte ist:
1.) lang und
2.) vollkommen sinnlos.

Wer's nicht lesen will, soll's bleiben lassen
Allen andern: Viel Vergnügen


Von stinkenden Socken

Gott lag in seinem Büro und japste nach Luft. Er lag nicht im Sterben wie manch einer vermuten würde, der ihn dort so liegen sah. Er hatte sich nur betrunken und ihm war speiübel. In der einen Hand hielt er eine Flasche Wodka, in der anderen eine Rasierklinge, die er nicht mehr zu benutzen im Stande gewesen war, nachdem er sich vor zweitausend Jahren einige, um nicht zu sagen Hunderte Flaschen Wodka gegönnt hatte. Doch so langsam ließ der Schmerz nach, sein Kopf hämmerte nicht mehr so ungemein und er konnte schon wieder leise Geräusche ertragen. Mühsam rappelte er sich auf, griff seine E-Gitarre, drehte den Verstärker voll auf und ließ das Instrument aufheulen. Dann begann er zu singen, vielmehr zu schreien, um seine Gitarre zu übertönen:

"Du gingst von mir in einer Stunde,
es war das Jahre Null,
auf einmal da war keiner mehr da,
und half mir auch nicht du,
Jetzt du liebst du halt nen Anderen,
und mein Herz schaut traurig zu.

Verlieben, verloren, vergessen, verzeihn,
verdammt war ich glücklich,
verdammt bin ich frei..."

Die Sekretärin, die immerhin zwei tausend Jahre auf eine Regung von ihm gewartet hatte, klopfte und trat ein. "Gott, geht’s Ihnen wieder gut, ja? Ich hätte gedacht, sie sind tot, wenn ich nicht gewusst hätte, dass das gar nicht geht."
Fand sie das lustig? Jedes mal nach einem vernünftigen Besäufnis seinerseits, machte sie diesen Gag. Diesmal hatte er zweitausend Jahre lang flach gelegen. Das war ein neuer Rekord.
Er legte ein wildes Jubelsolo ein, schrie der Sekretärin "Jaja" zu und schmiss seine Gitarre in die Ecke. Dann riss er haufenweise Kalenderblätter von der Wand und setzte sich hinter seinen Schreibtisch.
Gott saß hinter seinem Schreibtisch.
Gott war deprimiert.
Gott schmerzte der Kopf.
Gott fand Gott ist ein sehr blöder Name.
"Nennen Sie mich von heute an Andre."
"Andre?"
"Ja, Andre, und nun lassen Sie uns arbeiten, es gibt viel zu tun."
Susi, die Sekretärin ging mit einem Kopfschütteln heraus, alle paar hundert Jahre bildet er sich ein arbeiten zu müssen. Dann gibt er sich einen neuen Namen und schon geht’s los. Na ja, Andre war nicht so schlimm. Einmal hat er sich ja sogar Popokattepetel oder so ähnlich genannt.
Der neugetaufte Gott interessierte sich nicht für das, was seine Sekretärin dachte. Er warf einen Blick auf die Erde. "Huch, wo sind denn meine Indianer hin?"

Jochen jedenfalls waren die Indianer sozusagen schnurz-piep-egal. Er schlug sein Mathebuch und -heft auf und kam zu dem Schluss, dass er die Hausaufgaben irgendwo abschreiben könnte. Unerwartet und er wusste nicht von wo, kam ihm eine Idee. Er stand auf und begann um seinen Schreibtisch herum zu laufen. Runde um Runde... Dies tat er einige Stunden lang, nebenbei dachte er über Probleme nach. Sein eigenes Problem war sicher ausgesprochene Langeweile und ein mit der Zeit zunehmendes Schwindelgefühl. Aber er dachte auch über die Probleme anderer Leute nach: Welthunger, Kriege, Zerstörung, Amerikanische Umweltpolitik, schlechtes Wetter, hässliche Frauen, stinkende Socken, Kapitalismus, Sozialismus, Schule, Schule, Schule, Mädchen, Schule. Ihm viel auf, dass es ziemlich schwer war, die ganze Bandbreite von Problemen zu erfassen. Und dann noch plötzlicher als die Idee um den Tisch herum zu laufen hatte er eine geniale Erkenntnis. Seine Probleme und die der anderen Leute hatten einen entscheidenden Unterschied.
Den Eigner!
Jochens guter Freund Bully kam herein. "Was machst du da?", fragte er.
"Ich denke nach."
"Nein, physisch mein ich."
"Um den Tisch herum laufen." Bully runzelte die Stirn, als dies keine Beachtung fand, meinte er: "Na ja, nicht mein Problem."
"Das ist ja grad das Problem mit den Problemen."
Bully runzelte die Stirn.
"Hast du in letzter Zeit irgend ein Problem gehabt?", fragte Jochen.
"Ja, hab mich mit meinem Vater um den Urlaub gestritten. Was soll ich schon im Harz?"
"Und hast du es beseitigt?"
"Wir haben uns geeinigt."
"Hast in letzter Zeit mal wen mit Problemen gesehen?"
"Ja, dich. Du läufst andauernd um den Tisch herum."
"Nein, im Ernst."
"Hm, mal überlegen... Doch der eine Typ in der Schule wird immer gemobbt."
"Hat es dich gestört?"
"Nee, ist doch nicht mein Problem."
"Verstehst du, was ich meine?"
Bully runzelte die Stirn und begann hinter Jochen herzulaufen.
"Und wie viele Probleme wir ignorieren, weil es nicht unsere sind... stinkende Socken zum Beispiel.", sagte Bully.
Beide schwiegen und gingen weiter, obwohl sie nicht weit kamen.

Der Amerikanische Präsident George Bush machte das, was alle großen Staatsoberhäupter taten... nichts.

Andre donnerte und grollte, schleuderte Blitze gen Erde und war wütend. "Hey, beruhig dich doch..." Susi legte ihre Hand auf seine Schulter, bekam einen Stromschlag, zuckte zurück.
"Mich beruhigen? Mich beruhigen? Mich beruhigen?" Andre's Stimme überschlug sich und machte bei jedem weiteren 'Mich beruhigen?' einen Salto mehr. Dann sprang, als sein Gesicht schon purpurrot vor Wut war, seine Schädeldecke über seinen Ohren etwas hoch, Dampf entwich seinem leeren Hirn. Ein ganz klein wenig ruhiger brüllte er, dass das Himmelsgewölbe erzitterte. "Diese kleinen, krabbelnden Wichte; man kann sie nicht einmal ein paar hundert Jahre unbeaufsichtigt lassen, alles müssen sie kaputt machen. Argh." Sein Gesicht lief schwarz an und wieder musste er Dampf ablassen.
"Geh doch erst mal duschen, vielleicht geht’s dann wieder."
Da Andre sowieso nichts besseres zu tun wusste, nahm er den Vorschlag an.
"Und zieh dir ein paar frische Socken an.", hörte er Susi noch sagen, kurz bevor er plötzlich unter den Niagarafällen stand.

Gott kam nach einem nicht so sehr wie erwartet reinigendem Bad wieder in sein Büro, nahm ein paar Blitze und schleuderte fleißig. Bestürzt stürzte die Sekretärin in einem Anfall von Sturz hinein und landete auf ihrer gepuderten Nase.
"Hat das Bad nicht geholfen?", fragte sie.
"Ob das Bad geholfen hat? Ob das Bad geholfen hat? Ob das Bad geholfen hat?" Andre's Stimme schlug die üblichen Saltos. "Hab ich eine Bananenschale auf meinem Kopf oder hab ich keine Bananenschale auf meinem Kopf?"
"Ochh..." Susis Stimme klang mitleidig. Sie nahm die Bananenschale nebst diversem anderen Müll von Andre's Kopf, streichelte ihn ein wenig, warf den Abfall in den Papierkorb und ging ans Fenster.
"Ich hab mich mal ein bisschen umgesehen, während du weg warst. Schau mal da; die beiden Jungen, die um den Tisch laufen.

Jochen und Bully liefen noch immer um den Tisch. Sie hatten irgendwann damit angefangen und dann keinen Grund gesehen damit aufzuhören.
Plötzlich saß ein als Indianer verkleideter Mann auf dem Tisch.
"Hey, was macht ihr hier?", fragte er rhetorisch. "Ihr spielt doch Indianer."
Die beiden Jungen waren völlig verwirrt und waren nicht in der Lage mehr als ein abgebrochenes, gestammeltes Stottern aus ihren Lungen herauszupressen.
"Kein Problem, aber wir brauchen natürlich ein Lagerfeuer.", sagte der Indianer und sprang auf. Die Tischplatte begann gleichzeitig lichterloh zu brennen, während er sich anschickte einen wilden Tanz aufzuführen, dem sich Jochen und Bully anschlossen, weil sie keinen Einwand wussten.

"Wer sind sie?", fragten sie.
"Ach, ich. Ich bin Gott, aber ich mag es lieber, wenn ihr mich Andre nennt. Warum habt ihr keine Verkleidung?" Er klatschte in die Hände und schon sahen die beiden Jungen aus wie waschechte Indianer, was natürlich hieß, dass sie nicht besonders gewaschen aussahen.
Jochen schaute mürrisch. Bully aber meinte nur: "Wenigstens tragen Indianer keine stinkenden Socken."
Gott errötete ein wenig.
"Eigentlich spielen wir ja gar nicht Indianer.", sagte Jochen.
"So ? Was macht ihr dann ?"
"Wir denken nach."
"Nein, physisch meine ich."
"Wir gehen um den Tisch herum..."

Die Leute auf der Erde taten das, was man von den Leuten auf der Erde erwartete. Sie bekamen Probleme und lösten sie. Vor allen Dingen aber waren sie aufgeregt. Nicht das es irgend einen bestimmten Grund dafür gäbe. Sie waren einfach nur aufgeregt... aus Gewohnheit.

Aus einer ähnlichen, aber noch nicht so intensiven Gewohnheit heraus liefen Jochen und Bully um den Tisch herum. Es war kein besonderer Tisch; es war halt nur der Tisch, genauer gesagt der Schreibtisch in Jochens Zimmer. Mit ihnen um den Tisch herum lief Gott. Er hatte das Feuer erstickt und die Verkleidungen weggezaubert.
"Soso, ihr denkt also, wenn jemand ein Problem hat, löst er es. Wenn aber jemand sieht, dass jemand anders ein Problem hat, ist das nicht sein Problem. Also müsste man um alle Probleme möglichst effektiv zu lösen, die Probleme des Einzelnen zu den Problemen aller machen."
"Ja, genau. Ist Ihnen der Gedanke noch nie gekommen ? Ich meine, schließlich sind Sie ja Gott.", sagte Bully.
"Nein, ehrlich gesagt nicht. Wisst ihr, alle Probleme sind immer auch meine, weil ich ja Sorge tragen soll, dass es euch gut geht."
Bully runzelte die Stirn.
"Das ist Ihr Job ?", fragte Jochen, nicht sicher ob er das gleich sagen würde.
"Ja. Warum ?"
"Vorsichtig Jochen; überleg dir, mit wem du sprichst.", warnte Bully.
Jochen war immer sehr unbedacht. Er hatte nur wenig Respekt für irgend etwas und er hielt sich niemals mit Kritik zurück.
„Dann haben Sie aber Ihren Job scheiße gemacht."
"Ja", gab Gott zu. "Ich musste eine Alkoholvergiftung auskurieren."
Bully runzelte die Stirn.
"Wie lange hat denn die gedauert ?", wollte Jochen wissen.
"So um die zweitausend Jahre..."
Bully runzelte die Stirn. Jochen auch und diesmal zügelte er sich. Es war garantiert keine gute Idee, jemanden mit so extrem stinkenden Socken nach dem Grund eines Besäufnisses, dessen Auswirkungen erst zweitausend Jahre danach abklangen, zu fragen.
Nach einigen sehr peinlichen schweigsamen Sekunden, ergriff Gott wieder das Wort.
"Wisst ihr, ich kenn da wen... Na ja, eigentlich ist das so nicht richtig. Er kennt mich... Na ja, das stimmt auch nicht so ganz. Auf jeden Fall kann der was für uns tun."
Jochen staunte nicht schlecht, als plötzlich auf dem Tisch der Papst saß.
Bully runzelte die Stirn.
"Nanu, wo isst denn mein Gebisss ?", lispelte der Papst.
"Oh, tut mir leid."
Gott schnippte mit den Fingern. Der Papst bekam sein Gebiss.
"Wo bin ich hier ?"
"Das ist nicht so wichtig", meinte Gott. "Wichtig ist, was du hier sollst."
"Was soll ich hier ?"
"Erst mal von dem Tisch runter kommen und mitlaufen."
Jochen fand, dass Gott nicht besonders nett war zu seinem Mittelsmann auf Erden.
Bully runzelte die Stirn.
"Kannst du mal aufhören damit ?", fragte Jochen.
"Womit denn?", Bully runzelte die Stirn.
"Mit dem Stirnrunzeln."
"Entschuldigung, ist eine dumme Angewohnheit."
"Was soll ich denn nun hier ?", zeterte der Papst.
"Pass auf: ich bin Gott und ich hab einen Job für dich. Du sollst den Menschen klar machen, dass die Indianer meine Lieblinge waren."
Sehnsüchtig dachte Andre an die Zeit zurück, in der er sich besonders um die Indianer gekümmert hatte, diese kleinen roten Burschen. Was waren das noch für Zeiten; sie nannten ihn Manitou, er nannte sie ... Indianer.
"Ist das alles ?", der Papst wurde ungeduldig.
"Warum so eilig ?"
"Formel 1 fängt gleich an."
"Ach so.", Bully verstand das.
"Pass auf, Opa. Du sollst den Leuten verklickern, dass sie sich mehr lieben müssen und gegenseitig ihre Probleme lösen müssen."
Dem Papst fiel der Unterkiefer herunter und das Gebiss heraus.
"Wass glaubsst du wass ich die ganzse Zseit mache ?"
"Versuchs mal in der jeweiligen Landessprache und nicht immer in Latein."
Andre wurde langsam giftig. Der Papst war ganz schön frech.
"Hasst du die letzsten zweitaussend Jahre gesschlafen oder wie? Wir ssprechen sschon ewig kein Latein mehr."
"Ja, und alle verstehen nur Spanisch."
"Dass fassse ich alss Beleidigung auf."
Der Papst setzte sich auf den Tisch. "Ich möchte jetzst gehen."
"Da kann man wohl nichts machen."
Andre schnippte mit den Fingern. "Scheint als hat sich mein Einfluss in Luft aufgelöst."
"Kein Wunder. Schließlich haben Sie sich ja auch zweitausend Jahre lang nicht mehr blicken lassen.", sagte Jochen und fragte sich, ob Andre die ganzen zweitausend Jahre lang die Socken getragen hatte, die er jetzt an hatte..
"Hm, du könntest recht haben. Leute, ich muss mal kurz weg und das wieder in Ordnung bringen. Ihr wisst schon, meinen Einfluss wieder gewinnen. Ihr macht solange weiter. Und nicht aufhören!"
Nach dem Papst verschwand nun auch Gott. Die beiden Jungen zuckten mit den Schultern und gingen weiter.
"Seltsamer Typ.", meinte Jochen.
"So wird man halt, wenn man die ganze Zeit solch eine rote Kappe auf dem Kopf trägt. Irgendwo muss sich der Verstand damit arrangieren, um nicht verrückt oder schwul zu werden und dann kommt halt so was dabei raus. Guck mal er hat seine Zähne vergessen."
Bully hob das Gebiss auf und legte es auf den Tisch.
"Eigentlich hatte ich ja von Gott oder Andre gesprochen."
"Mich würde schon mal interessieren, was ihn dazu bewegt hat, sich dermaßen zu besaufen. Ob das was mit der Schule zu tun hat ? Jedenfalls gibt sich seine Merkwürdigkeit vielleicht noch. Du hast es bestimmt auch gerochen. Er ist noch nicht ganz nüchtern."
"Das waren seine Socken."

Die Kühe auf der Erde taten das, was man von den Kühen auf der Erde erwartete. Sie fraßen Gras, würgten es wieder hoch, fraßen es noch mal und produzierten Milch und Dung. Doch eine tat das nicht. Sie war nicht so wie die anderen, sie war beschriftet. Aber das spielt in dieser Geschichte gar keine Rolle.

Nachdem Jochen das Fenster aufgemacht hatte, um ein wenig zu lüften, lief er weiter mit seinem Freund Bully um den Tisch. Anfangs waren sie einfach so um den Tisch gelaufen, weil sie nichts besseres zu tun wussten, dann hatten sie sich daran gewöhnt. Aber nun hatten sie einen Grund um den Tisch herum zu laufen. Gott hatte es ihnen gesagt. Sicherlich für einige eine sehr fadenscheinige und fragwürdige Begründung, aber sie waren ihm wirklich begegnet und er nannte sich Andre!
Jochens Cousine Christine kam herein.
"Was macht ihr hier?"
"Nachdenken."
"Nein, physisch meine ich."
"Wir laufen um den Tisch herum."
"Warum ?"
"Auftrag von Gott."
Christine zuckte mit den Schultern, reihte sich ein, schmiss sich ein Stück Schokolade in den Mund und bot den beiden Jungen auch eines an. Alle lehnten dankend ab, außer Bully, der Schokolade nicht widerstehen konnte und auch ein wenig so aussah.
"Habt ihr das von der Kirche gehört ?", fragte Christine.
"Eher nicht. Was gibt es denn ?"
"Nun ja, der Papst, er meinte, er hatte ein Treffen mit Gott. Und er hat gesagt, dass Gott ein hirnloser Idiot ist, der nichts anderes zu tun hat, als mit zwei Jungen um einen Tisch herum zu laufen. Außerdem sei er anmaßend, unhöflich und er trägt stinkende Socken. Und er hat dem Papst sein Gebiss gestohlen."
Während dem Erzählen war Christine schon ein wenig stutzig geworden. Zwei Jungen, die um einen Tisch herum liefen... Nun starrte sie auf das Gebiss und blieb stehen, wodurch sie einen Auflauf verursachte.
"Weiter gehen.", protestierten die Jungen. Christine zuckte abermals mit den Schulter und sprach weiter: "Und wisst ihr was der Papst entschieden hat ?"
Niemand antwortete.
"Er hat entschieden, dass die Kirche sich von Gott trennt und von jetzt an eine vollkommen eigenständige nur vom Papst selber abhängige Institution ist."
"Das sieht ihm wieder ähnlich.", sagte Bully, um irgendwas zu sagen und um ein Gefühl der Verlegenheit, das in ihm aufkam, zu übertünchen. Sie liefen weiter.

Die Socken auf der Erde taten das, was man von ihnen erwartete. Sie stanken! Aber das war nicht ihr Problem.

Christine nickte langsam.
"Na, da habt ihr euch ja was tolles ausgedacht. Ein jeder interessiert sich nur für seine eigenen Probleme. Und wenn man dafür sorgt, dass alle Probleme, die eines jeden sind, dann wird alles gut. Seid ihr sicher, dass man das umsetzen kann?"
"Nö."

Bush tat das, was alle großen Staatsoberhäupter taten, wenn sie nicht grad so taten als täten sie etwas. Er schlief. Und keines der Staatsoberhäupter der Welt hatte in dieser Nacht eine Begegnung/Vision mit/von Gott. Was aber niemand merkwürdig fand, außer Gott.

Jedenfalls, wenn man aus dem Weltraum auf die Erde hinabblickte, sah man nur merkwürdige Dinge. Genauer gesagt sah man nur merkwürdige Dinge bis auf eines. Dieses eine Ding waren Jochen, sein guter Freund Bully und seine Cousine Christine, die im Auftrag Gottes und aus ein bisschen Gewohnheit heraus um einen Tisch herum liefen. Momentan dachten und taten sie wenig. Verhielten sich also beinahe wie wahre Staatsoberhäupter. Übten somit schon einmal für später. Dann erschien Gott und freute sich, dass wenigstens hier noch jemand auf ihn hörte. Er begann mit den dreien um den Tisch herum zu laufen.
"Wisst ihr, ich wollte mal Kontakt mit euren Staatsoberhäuptern aufnehmen, aber es ging nicht.", erzählte er.
"Dann geht’s Ihnen genauso wie allen anderen. Niemand kommt an sie ran. Deswegen verbocken sie auch soviel Schillbut."
Christine kicherte über Bullys Worte. Wenigstens sie fand es witzig.
Andre runzelte die Stirn und Jochen verbesserte Bully: "Das heißt Bullshit."
"Na ja, ist auch nicht so wichtig", meinte Gott. "Ich bin dann zu einem Gehirnchirurgen gegangen, der herausgefunden hat, dass meine Erscheinungszellen in Wodka schwimmen und für einige Jahrzehnte außer Kraft gesetzt sind."
"Hmm, das ist ein Problem, dass wir nicht lösen können, aber wir können es umgehen. Sie könnten doch ein paar wichtige Staatsoberhäupter hierher bringen und dann reden wir einzeln mit denen.", schlug Christine vor.
"Ein paar wichtige. Also den amerikanischen Präsidenten George Bush.", ergänzte Jochen.
Andre schnippte mit den Fingern und schon saß der, der sich für Gott hielt auf dem Tisch.
"Wo um alles in Amerika bin ich ?", fragte ein schockierter, mächtigster Sterblicher der Welt in Nachthemd und Bommelmütze.
"Im Ausland.", sagte Jochen.
Bush setzte ein freundliches Lächeln auf, während er sich unauffällig nach spitzen Gegenständen oder anderen Dingen, die ihm zur Verteidigung dienen könnten, umsah.
"Was soll ich hier und wer seid ihr ? Terroristen, Kommunisten, Menschen ? Egal, ihr werdet eh alle sterben. Versucht erst gar kein Lösegeld zu fordern. Amerika zahlt nicht an Terroristen außer sie sagen ganz freundlich bitte und bieten uns ihre Freundschaft an. Aber das macht keiner."
"Kein Wunder." Jochen hatte gewisse Vorurteile.
Andre schnippte mit den Fingern, wodurch er dafür sorgte, dass Jochen nicht mehr sprechen konnte, solang der Präsident anwesend war.
"Pass auf, Bush.", sagte er. "Wir wollen dir nichts tun. Ich bin Gott, du glaubst an mich, das steht auf deinen Geldscheinen. Auf denen auch die Leute abgebildet sind, die daran schuld sind, dass meine Indianer weg sind."
George W. Bush nickte verständnisvoll. Jetzt musste er sich auf seine diplomatischen Fähigkeiten verlassen. Er wusste selber, dass das seine Überlebenschancen nicht sonderlich vergrößerte.
"Wir wollen von Ihnen," fuhr Andre fort, "dass Sie dafür sorgen, dass Amerika sich mehr um die Probleme der restlichen Welt kümmert."
"Wie bitte ?"
Man konnte Bush ansehen, dass er sich das Lachen nicht verkneifen konnte. Man konnte sehen, wie er sich keine Mühe dabei gab, sich sein Lachen zu verkneifen. Seine Bauchmuskeln erzitterten und er wälzte sich auf dem Boden, wobei er seine Pudelmütze verlor.
Andre runzelte die Stirn. "Mit dem lässt sich wohl nichts anfangen."
Zwei mal schnippte er mit seinen Fingern, dann war Bush weg und Jochen konnte wieder sprechen.
"Anscheinend hat es keinen Zweck mit den Leuten auf der Welt zu sprechen, die gut sein sollten. Sowohl der Papst als auch der amerikanische Präsident haben es anscheinend aufgegeben beziehungsweise niemals versucht.", sagte er.
"Wir könnten ja mal jemanden einladen, der gut ist und sich wirklich um die Probleme Anderer kümmert.", schlug Bully vor.
"Du meinst zum Beispiel Kofi Annan oder den Da leih Lama oder irgend einen anderen Friedensnobelpreisträger ?", wollte Christine wissen.
"Nein, ich meine Leute wie Batman, Spiderman oder Kakarott.", korrigierte Bully.
"Wer ist Kakarott?"
"Der Typ aus Dragon Ball Z."
"Und wer sind die anderen beiden?" Andre war vollkommen ahnungslos.
"Sie sind Superhelden und helfen den Armen und Schwachen."
"Also wie JC ?"
Die drei Menschen waren verwirrt und schauten Andre fragend an. Von JC hatten sie noch nie etwas gehört.
"Er ist mein unehelicher Sohn... gewesen."
Jochen kam als erster drauf. "Sie sprechen von Jesus Christus ?"
"Den Namen hat ihm seine Mutter gegeben. Ich war ja für Allah Junior; das hätte nicht zu so großer Verwirrung geführt."
"Und warum haben Sie seine Mutter nicht geheiratet ?"
"Sie war doch verheiratet und ich hatte eine feste Freundin, die ein stark ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl hatte, weshalb sie mir nicht verzeihen konnte. Aber lassen wir das. Welchen Superhelden soll ich denn jetzt herzaubern ?"
Bully war für Batman, Christine für Spiderman. Superman kam gar nicht erst in Frage. Schließlich war er ja kein Mensch. Jochen lehnte beide ab. Batman war zu verbittert und Spiderman war ihm zu kindisch. Am Ende einigten sie sich auf Marshall Bravestar.
"Hey, wo bin ich hier?“", fragte der als er sich plötzlich auf einem Tisch in einem futuristisch eingerichtetem Zimmer sitzend wiederfand.
"Das ist nicht so wichtig. Steh auf und lauf ein paar Runden mit. Wir müssen etwas mit dir besprechen. Ich bin übrigens Gott. Du sollst dafür sorgen, dass sich alle Leute mehr um die Probleme anderer kümmern."
"O.k., das mach ich."
Alle blieben stehen.
"Ist das Ihr Ernst?", fragten sie.
"Ja klar; aber das wird euch nicht viel bringen. Ich bin doch eine Trickfilmfigur."
Langsam hoben Jochen, Bully und Christine die Hände in Stirnhöhe und bewegten sie dann so schnell und so direkt, wie möglich, auf sich zu, dass sie ein Klatschen verursachten. Andre seufzte: "Na dann werd ich sie mal wieder nach Hause bringen."
"Nein danke, nicht nötig. Ich laufe lieber. Bin so schnell wie irgend eine größere Raubkatze. Wie hieß das Vieh noch? Langsam glaube ich werde ich alt." Er rannte davon.
Bully und Christine waren enttäuscht. Jetzt hatten sie einmal jemanden gefunden, der sie unterstützen wollte, da war der gar nicht dazu in der Lage. Jochen aber meinte: "Es ist nicht so schlimm. Diese Superhelden sind eh immer ein bisschen merkwürdig. Sie bekämpfen Gewalt und Ungerechtigkeit und machen dabei mehr kaputt als die Verbrecher."
"Was ist falsch daran ?", fragte Andre.
Von ihm hatte man das am wenigsten erwartet. "Nun hören Sie mal!", es war Jochen, der so anmaßend mit Gott sprach. "Diese Superhelden erheben sich selbst zum Gesetz und verfahren äußerst skrupellos mit den Verbrechern. Ihnen muss doch wohl mindesten ein vernünftiger Prozess gemacht werden. Vor Justitia sind alle gleich. Vor Superhelden nicht."
"Vor Justitia sind alle gleich ? Wer hat sich denn den Schwachsinn ausgedacht ?"
"Sie selber. Sie trägt extra eine Augenbinde deswegen."
Andre brach in freudiges Lachen aus. Gerade hatte er eine Erkenntnis gewonnen, die sein Herz höher schlagen ließ. "Nein, ihr habt sie nicht richtig verstanden. Wenn sie eine Augenbinde hat, kann sie ja gar nicht sehen, wer schuld ist und wer nicht. Sie trägt die Augenbinde nicht aus beruflichen Gründen sondern aus persönlichen. Ich muss kurz weg... Ihr macht hier weiter."
Andre verschwand.

Die Zeitungen auf der Erde taten das, was man von den Zeitungen auf der Erde erwartete, wenn Amerika seine Grenzen dicht machte. Sie druckten panisch Zeitungen mit Artikeln von sensationslüsternen Reportern, die selber nicht genau wussten, was los war. Was los war, erkannte man als George Bush anfing, Dinge zu machen, die man nicht erwartete. In einer Rede, die an den Mut und den Patriotismus seines Volkes appellierte sich aufzumachen und alle Ausländer zu vernichten, um folgende Ideale zu verteidigen: Freiheit, Amerika, Demokratie, die Zerstörung alles Bösen sowie jeglicher Natur und die Aneignung aller Macht sowie allen Öls, gab er folgendes bekannt: die Welt außerhalb der USA ist verrückt und man müsse sich dagegen abgrenzen. Zusätzlich erklärte er dem gesamten Planeten den Krieg.

Als Gott von einem enttäuschenden Gespräch mit seiner Exfreundin, die jetzt wenigstens nicht mehr blind vor Liebe war, zurückkam und davon erfuhr nahm er einige Blitze, die er auf das weiße Haus hernieder schleuderte.

Einige Zeit später lief er wieder mit seinen drei neuen Freunden und diesmal auch mit seiner Sekretärin Susi, die er mitgenommen hatte, um einen Tisch herum.
"Ich bin verdammt sauer. Eigentlich wollte ich meine Wut an dem amerikanischen Präsidenten abreagieren, weshalb ich eine Menge Blitze auf seine Bude schleuderte, aber das funktionierte nicht. Die müssen irgend ein Blitzabwehrsystem installiert haben.", sagte er.
"Hm hm, Blitzableiter.", stimmte Jochen zu.
"Leute, ich fühle, dass ich verdammt noch mal eine Menge Alkohol brauche. Doch bevor ich mich meinen eigenen Gelüsten hingebe, werde ich dafür sorgen, dass dieser Planet endlich gut wird. Allerdings brauchen wir dazu einen größeren Tisch.", sagte Andre und ging mit den anderen Vieren ins Wohnzimmer.
Als sie den dort stehenden Tisch ausgezogen hatten, zauberte er alle Staatsoberhäupter der Welt herbei. Allerdings machte er sie ein bisschen kleiner als sie waren, was nicht nur ein psychologischer Trick war sondern auch dafür sorgte, dass sie alle bequem auf den Tisch passten.
"Passt auf, Leute", sagte Andre zu den protestierenden Staatsoberhäuptern. "Ich bin Gott und ich werde jetzt ein für alle mal dafür sorgen, dass dieser Planet endlich gut wird. Ihr legt eure Ämter nieder und übertragt alle eure Befugnisse etc. auf diese vier Leute hier. Sie werden von nun an den Planeten regieren."
Die Staatsoberhäupter protestierten. Eigentlich wussten sie, dass es keine schlechte Idee war und das wahrscheinlich jeder andere fähiger als sie war, ihren Job zu erledigen. Doch sie hatten sich daran gewöhnt zu protestieren. Das Volk mochte es, wenn jemand protestierte und ordentlich seine Meinung hinaus schrie. Durch die Verkleinerung hörten sich die schreienden Staatsoberhäupter allerdings mehr wie kleine fiepende Mäuse an.
Bush hatte eine gute Idee, ein gutes Argument. Das erste eigene in seinem Leben.
"Sie sind doch kein demokratisch gewählter Chef der Erde, also können Sie das nicht bestimmen."
Andre lachte. "Ach, kleiner Bush", kicherte er, "wenn du wüsstest. Natürlich bin ich demokratisch gewählt. Vor einigen Millionen Jahren wurde ich von allen Göttern einstimmig gewählt, mich um diesen Planeten zu kümmern."
"Und wo sind diese Götter jetzt ?"
"Auf diversen anderen Planeten. Haben Spaß." Andre war sauer. Immer noch sauer auf diese Götter. Sie hatten ihm diesen scheiß Job angehängt. "Werdet ihr die neue Regierung akzeptieren?", fragte er.
Die Staatsoberhäupter verneinten, protestierten, erkannten nicht an. Als sie damit fertig waren, begannen sie sich untereinander nicht anzuerkennen.
"Was macht man denn da?"
Einige Minuten lief die zukünftige Regierung der Erde ideenlos um den Tisch herum. Dann hatte Jochen, der Einfältigste von allen, einen Einfall. Er zog eine Stange rundlich, ovaler Minzbonbons, die aussahen wie rundlich, ovale Minzbonbons aus seiner Hosentasche und nahm einen. Auch das Essen von Mentos half diesmal nicht weiter. Am Ende aber fand sich doch noch eine Lösung.

Einige Jahrzehnte später tat Gott das, was man von ihm erwartete. Er lag stinkbesoffen auf einem Haufen von Wodkaflaschen und kurierte seine neue Alkoholvergiftung aus. Das Leben machte keinen Sinn mehr. Justitia wollte ihn nicht mehr lieben, er hatte keinen Job mehr...
Er griff eine Rasierklinge, schließlich verblutete er nicht, weil er konnte ja nicht sterben. Dafür ertrank er in seinem Blut. Und wenn er nicht gestorben ist, was er ja wie schon gesagt gar nicht konnte, ertrinkt er noch heute.

Der Papst tat das, was man von ihm erwartete. Er starb.

Die Religionen auf der Erde taten das, was man von ihnen erwartete. Sie glaubten nicht an Gott.

Die Staatsoberhäupter der Erde taten das, was man von ihnen erwartete. Sie liefen vor Marshall Bravestar weg.

Die wirklichen Regenten der Erde taten das, was man von ihnen erwartete. Sie liefen um den Tisch herum. Susi kümmerte sich um sie. Zauberte Essen, Trinken und wenn nötig Leute herbei. Irgendwann hatte Bully alle seine Zähne verloren und es machte keinen Spaß mehr Christine zu küssen. Deshalb nahm er das Gebiss des Papstes.

Die Socken auf der Erde taten das, was man von ihnen erwartete. Sie stanken. Manche Probleme kann man einfach nicht lösen. Jedenfalls nicht so.

Die Globalisierungsgegner auf der Erde taten das, was man von ihnen erwartete. Sie suchten sich etwas neues gegen das sie protestieren konnten und fanden stinkende Socken. Womit sie auf ewig zu tun hatten, denn Gott starb nicht.

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Minensie
Dichterin



Anmeldungsdatum: 25.12.2003
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BeitragVerfasst am: 01 Jul 2005 22:23 
   Titel:
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also das nenn ich doch mal genial geschrieben

und ich glaub, meine muffins verbruzeln grad *lach*

mine


_________________
Kannst du mich sehen? Wenn ich träume, bin ich alleine...
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Woelfin
Haarspaltender Knochen



Anmeldungsdatum: 17.06.2003
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BeitragVerfasst am: 02 Jul 2005 10:04 
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Bitte mehr davon!

_________________
"Es gibt Momente im Leben, die keine Rolle spielen, und es gibt wichtige Momente im Leben, und dann gibt es da die Momente - vielleicht ein Dutzend Mal im Leben -, in denen alles auf der Kippe steht."
(Stephen King)
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Assassin
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BeitragVerfasst am: 02 Jul 2005 13:57 
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Wirklich ne nette Story. Gibts da noch mehr von?
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Tante Lül
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BeitragVerfasst am: 06 Jul 2005 20:52 
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Ich muss mal ein wenig kramen .... aber ich glaub, obiges Ding war das Einzige in dieser Richtung, was auch auf die Menschheit losgelassen werden konnte ohne dass sie sabbernd und zuckend sich auf dem Boden windend zugrunde gehen würde.

Naja, ich geh jetzt erstma ne Runde um den Wohnzimmertisch laufen und über die Probleme anderer Leute nachdenken, oder so

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Dead Man
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BeitragVerfasst am: 07 Jul 2005 07:56 
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Es liest sich wirklich hervorragend und ist sehr amüsant. Allerding hatte ich den Eindruck, dass der Schluss dann etwas zu schnell herbeigeführt wurde. Der Text hat mich etwas mehr erwarten lassen.

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Was hat mich da geritten?
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Nibelheim
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BeitragVerfasst am: 11 Jul 2005 22:02 
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Ziemlich lang für einen Forumsbeitrag. Bevor mein Modem schlapp macht, kopier ich das mal fix und lese es in Ruhe OFFline.

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Meum est propositum in taberna mori .


ich lasse mich musikalisch verführen von Gehe zu www.lastfm.de www.lastfm.de
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Tante Lül
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BeitragVerfasst am: 11 Sep 2005 15:40 
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Der Grenzgänger

Ein Fahrgast lachte über die anderen Mitfahrenden, als sie sich der Grenze näherten. Überhaupt war der Mann merkwürdig angezogen. Er hatte nur ein Tuch um das Gesäß gebunden.

"Du hast Schokolade, du ein Radio und du einen Recorder", sagte er und lachte. "Sie werden euch an der Grenze alles wegnehmen. Dieses Land kenne ich, da darf man nichts einführen."

Den Leuten war der Mann unangenehm, doch der wurde nicht müde, sie aufzuziehen. "Was hast du noch da? Eine Uhr, ein Hemd. Und du da, wie willst du mit diesem Mantel durchkommen?"

Die Leute wurden immer nervöser, je näher sie der Grenze rückten. Langsam begriffen sie, warum dieser Kerl fast nackt war, und selbst das Tuch, das er trug, war in jenem Land produziert.

Als die Kutsche die Grenze erreichte, waren die Zollbeamten noch strenger mit jedem Fahrgast, als der fast nackte Mitfahrer es vorausgesagt hatte. Er blieb sitzen und lachte, während die Zollbeamten alles beschlagnahmten: Radios, Schokolade und Mantel.

Als er an der Reihe war, triumphierte er.

"Ich bin nackt, und das Tuch ist ja bei euch hergestellt!"

"Du weißt viel, nicht wahr?" fragte der Zollbeamte mit unbewegter Miene.

"Ja, ich lese viel!" protzte der Mann.

Der Mann zählte viele Bücher auf, und der Beamte notierte geduldig jeden Titel und erkundigte sich höflich danach, wie man den Autorennamen richig schreibe.

Sobald der Mann aufhörte, fragte der Zollbeamte:"War das alles?", und der Mann protzte mit einer neuen Reihe von Büchern, die er gelesen hatte. Der Beamte schrieb alles mit, bis es dem Mann dämmerte und ihm übel wurde. Er schwieg.

"So", sagte der Beamte zu dem Besserwisser, "zweihundert Bücher trägst du im Kopf und willst sie schmuggeln. Und die Hälfte dieser Bücher sind verboten. Was diese Schmuggler sich auch immer wider für neue Methoden einfallen lassen!" schimpfte er und schickte den Nackten dorthin zurück, woher er gekommen war.

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Minensie
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BeitragVerfasst am: 11 Sep 2005 16:03 
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ich weiß nicht, ob ich darüber lachen soll/kann. irgendwie ganz schön bitter ... aber schmunzeln muss ich.

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Tante Lül
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BeitragVerfasst am: 13 Sep 2005 21:49 
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Minchen hat folgendes geschrieben:
ich weiß nicht, ob ich darüber lachen soll/kann. irgendwie ganz schön bitter ... aber schmunzeln muss ich.


Ja, bitter wie das Leben nunmal ist.
"Lache, wenn es nicht zum Weinen reicht!" - also ist schmunzeln schonmal ein guter Anfang

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Tante Lül
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BeitragVerfasst am: 13 Sep 2005 21:50 
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Das Lächeln

Sie reichte ihm ihre Hand und dann erst drehte sie sich langsam zu ihm um. Mit einer flüchtigen Bewegung wischte sie die letzte Träne aus ihrem Gesicht und sah ihm schließlich mit einem schrecklich liebevollen, einem abgrundtief gütigen Lächeln in sein immer noch etwas abgemagertes, jedoch nicht knochiges oder gar hässliches Gesicht.

Er kannte dieses Lächeln allzu gut. Seit drei Jahren, seit sie diese Ausflüge zu Meer unternahmen kannte er jede Bewegung, die jetzt folgen, jedes Wort, das sie jetzt sagen würde. Und dieses grässlich friedliche Lächeln, das ihm so sehr Angst bereitete, das ihn immer wieder an das erinnerte, was hier passiert war, das ihn besonders dann nicht loslassen wollte, wenn sie begann ihre Geschichte zu erzählen, genau dieses Lächeln, erinnerte ihn wieder daran, dass alles genauso war wie immer.

"Kommst Du?", fragte er.

"Ja gleich", sagte sie immer noch lächelnd.

Langsam wandte sie sich noch einmal um, ohne dabei seine Hand zu verlieren. Wandte sich noch einmal dem Himmel zu, blickte in das Grau dieses harten Gewölbes, betrachtete die unerbittliche, schier nie enden wollende Eintönigkeit, die sich weit, zu weit erstreckte und erst am Horizont endete, endlich von dieser großen, unüberwindbar scheinenden Tür aufgehalten werden konnte.

Sie legte ihren sanften, gutmütigen Blick auf das Meer, dessen Farbe so eintönig und so grau war, dass sie mit dem Grau des Himmels völlig übereinstimmte, als hätten beide einen grauen Packt geschlossen, der es schwer machte die beiden auseinanderzuhalten. Ihr aufreizend ruhiger Blick wanderte leicht, nein schwebte, über das Meer in Richtung Horizont, fand immer wieder Zeit für eine Pause und blieb längere Zeit auf einer Stelle liegen, bewegte sich dann und wann wieder langsam und vollkommen ruhig, nur um kurz darauf schon wieder Rast zu machen, sprang auch ab und zu im Zickzack, verlor jedoch auch hierbei nie die ihm zu eigene Ruhe und auch nie sein eigentliches Ziel, die große Wand am Ende des vor Grau erstickenden Himmels, des vor Eintönigkeit weinenden Meeres, den Horizont, aus den Augen und erreichte diesen schließlich nach einiger Zeit, in der sie bewiesen hatte, welche Kontrolle sie im Stande war über ihren Blick auszuüben.

Als er jedoch endlich den Horizont, dieses schier unüberwindbare Tor, erreicht hatte, verlor sie jede Kontrolle. Der ruhige Blick begann auf einmal zu hüpfen, wurde neugierig, streckte und reckte sich, als wollte er einen Blick über die Pforte oder durch ihr Schlüsselloch, wo das Grau irgendwo enden musste, erhaschen. Er mühte sich ab, sprang, begann zu fordern, schließlich zu bitten, sogar zu flehen, versuchte dann als letztes Mittel mit Gewalt das unmögliche zu erreichen, die Tür aufzubrechen. Der Horizont blieb stur. Das riesige Tor war nicht bereit sein Geheimnis preiszugeben, ja noch nicht einmal dem bettelnden Blick eines jungen Mädchens überhaupt Beachtung zu schenken. Schließlich gab sie ihre so nachdrücklich bittenden Blick auf, der an der unnachgiebigen Geheimniskrämerei des Horizonts gescheitert war, weil dieser nicht bereit war seine Privilegien aufzugeben, der an dem Grau seiner Umgebung zerbrochen war.

Anfangs noch ein wenig hüpfend oder vielleicht sogar hinkend, er versuchte immer noch die Tür umzustimmen und sie dazu zu bewegen, sich zu öffnen, dann aber seine Niederlage eingestehend kehrte ihr Blick wieder zurück, wurde wieder leise und ruhig und kam schließlich so wieder an, als wäre er niemals seinem Bezwinger begegnet, in vollendeter Harmonie.

"Kommst Du?", wiederholte er.

Da traf ihn auch schon dieses abscheulich fröhliche Lächeln, das sie sich die ganze Zeit bewahrt hatte. Noch härter als vorher traf es ihn und als sie, "Weißt Du eigentlich, was hier passiert ist?", fragte, glaubte er schwer verwundet zu sein und erinnerte sich an die Zeit kurz nach dem Krieg, als er in einem russischen Lazarett lag.

"Ja! Ich weiß, was hier passiert ist.", antwortete er und ganz deutlich war die Angst in seiner Stimme zu hören. "Nein!", sagte sie zufrieden, als hätte sie diese Antwort erwartet, "Das kannst Du gar nicht wissen. Du warst ja gar nicht hier."

In ihrer Stimme schwang nun Triumph.

Natürlich wusste er, was geschehen war, während er in Russland gewesen war. Natürlich wusste er es, weil ihre Mutter und ihre Freunde es ihm schon häufig erzählt hatten, ihn schon häufig daran erinnert hatten, dass er nicht dagewesen war um seinem Vater zu helfen. Und von ihr selbst, seiner Schwester, hatte er es schon unzählige Male gehört. Jedes mal wenn sie hier heraus kamen erzählte sie ihre Geschichte erneut. Doch er wagte nicht ihr zu widersprechen, fürchtete die neue Situation noch mehr als die wohlbekannte und ließ so erneut ihre Geschichte, die für ihn unter ihrem Lächeln, das immer noch ekelhaft freundlich war, zu einer waren Pein wurde, über sich ergehen.

Sie erzählte, was an jenem Tag geschehen war, als sie und ihr Vater hier zum Angeln gewesen waren. Sie erzählte wie er immer noch an den Sieg glaubend geschossen hatte, als sie gekommen waren.

"Er hat gesagt: 'Lauf schnell nach hause! Mutter soll schon mal das Holz in den Ofen schmeißen! Heute gibt es Fisch!' Aber er ist nicht nach hause gekommen. Und als der Alte von drüben etwas später vorbeigekommen war, da hat Mutter geweint.

'Er hat das Richtige getan. Für sein Vaterland hat er gekämpft, für sein Vaterland ist er gestorben. Er wird es so gewollt haben. er wird wohl glücklich.' Aber Mutter immer nur geweint."

Er hatte damals schon im Lazarett gelegen und nicht mehr gewusst, warum er überhaupt noch lebte, wenn es doch so leicht war zu sterben. Nie hatte er sich mehr vor etwas gefürchtet als dem Leben nach.

Wieder sah sie ihn an und ein goldgelber Schein legte sich auf ihr Lächeln, denn hinten, am Horizont, ganz weit weg taten sich die Wolken auf und das Licht der Sonne überwand für einige Augenblicke das normale Grau von Himmel und See. Schnell ließ sie ihren Blick durch die geöffnete Pforte schweifen und sah all das, was da hinter lag. Sah all das, was noch fremd war, was es noch zu entdecken galt.

Dann drückte sie seine Hand und sagte freudig: "Jetzt können wir nach hause gehen."

Er sah in ihr Gesicht und erschrak beinahe darüber, dass er nicht über ihr Lächeln erschrak. Nein! Ein Gefühl Freude ergriff ihn sogar, das er lange nicht mehr erlebt hatte. Und während sie nach hause gingen, Hand in Hand, schien es als ob auch er ein wenig lächelte. Er lächelte tatsächlich und dachte immer nur an das Gesicht seiner Schwester. Er dachte daran wie sie ihn vorhin angesehen hatte und er dachte immer zu an dieses eine Lächeln, ein Lächeln voll Leben.

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