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Leseprobe"Vox Lunae"

 
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Lost Boy
Der dunkle Ringer



Anmeldungsdatum: 30.11.2003
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BeitragVerfasst am: 22 Apr 2004 00:07 
   Titel: Leseprobe"Vox Lunae"
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Hallo

Als kleine Anregung mal eine kleine Leseprobe von dem Roman meines besten Freundes Andre Vieregge.

Das ganze soll ev. auch als Hörbuch veröffentlicht werden, welches ich dann vorlesen soll...
Leseprobe I
Seid Euch meines Dankes gewiss, geneigter Leser, da Ihr willens seid, etwas über jene Ereignisse zu erfahren, von denen zu berichten mir jetzt, in meinen letzten Tagen, so am Herzen liegt. Das Jahr 1332 neigt sich seinem Ende, und bei schwachem Kerzenschein sitze ich in meiner kleinen Kammer hinter jenen Klostermauern, die mich fast mein gesamtes Leben eingeschlossen hielten. Die Enge des Raumes scheint mich zu erdrücken. Sie zwingt mich förmlich in die undurchdringlichen Bahnen menschlicher Konventionen. Doch muss ich diese Enge nicht viel länger noch ertragen, denn unausweichlich wird der erlösende Tod mich alsbald in seine Arme schließen. Aber für eines bete ich dennoch. Ich bete, dass der Herr mir die Kraft gebe, dieses Werk noch zu vollenden, um die Frevel der Vergangenheit nicht mit mir nehmen zu müssen, wohin auch immer mich die letzte Reise führen wird. Mein ganzes Leben habe ich der Kirche gewidmet und erst jetzt, da ich auf viele lange Jahre zurückblicken kann, weiß ich, dass nicht immer alles, welches ich im Namen Gottes zu tun glaubte, seinem Willen entsprochen hätte. Doch trug ich lange Zeit das Kreuz mit Stolz auf der Brust und die Lehren der Kirche mit Freude im Herzen, im steten Glauben allzeit das Rechte zu tun.
Aber verzeiht, dass ich mich noch nicht vorgestellt habe. Mein Name ist Gotthard von Bamberg. Ich bin Dominikaner und stand zu der Zeit, aus der ich euch berichten möchte, als Mönch im Dienste der heiligen Inquisition seiner Eminenz Papst Bonifaz' VIII.
Jedoch formt in Eurem Geiste nicht zu schnell ein Bild von mir. Ich hielt nicht Gericht über Fehlgläubige oder versuchte mit Schwert und Scheiterhaufen den rechten Glauben in die Herzen der Menschen zu zwingen. Meine Aufgaben fanden sich in Büchern und Schriften, mein Urteil richtete Wort und Vers. Stunde um Stunde, Monat um Monat und Jahr um Jahr saß ich über staubigen Seiten und brüchigem Pergament, dafür Sorge zu tragen, dass nicht ein gotteslästerlicher Federstrich die Zeiten überdauern würde. Alles wofür ich damals zu leben glaubte, war die Heilige Schrift. Hatte ich doch noch nicht erkannt, dass das Wort des Herrn und die Deutungen seiner göttlichen Botschaft durch den Prälaten der westlichen Kirche sich nicht immer im Einvernehmen befinden.
Aber ebenso, wie ich in all jenen Jahren die Gnade und die Allgegenwärtigkeit des Herrn nie in Frage gestellt hatte, weiß ich nun, dass auch jene Geschöpfe, deren Existenz die Menschen oftmals für Märchen und Schauergeschichten halten, sehr wohl wahrhaftigen Bestand in dieser seiner Welt haben.
So seid versichert, werter Leser, dass die Schatten, welche Ihr in manch dunkler Nacht an den Wänden zu sehen meintet, nicht immer nur Eurer eigenen Phantasie entsprangen. Vielleicht empfiehlt es sich doch, vor dem Schlafengehen einen Blick unter das Bett zu werfen, ob dort nicht ein Augenpaar aus der Finsternis funkelt.
Es würde mich nicht befremden, erntete ich jetzt nur Euer Gelächter. War ich doch einst genauso unwissend wie Ihr, bis die Ereignisse in jenem kleinen Dorf mir die Augen öffneten. Erst dort begann ich, das eigentliche Wesen des Menschen mit all seinen Abgründen, wenn auch nur bruchstückhaft, zu erkennen.
Doch soll es nun genug von mir sein. Ich werde mit meiner Geschichte beginnen, danach sollt Ihr selbst entscheiden.

Leseprobe II.
Der Seher schüttelte nur den Kopf und betrachtete mich einem Blick, dem eines tadelnden Schulmeisters nicht unähnlich.
„Wölfe greifen keinen ausgewachsenen Menschen an.“, erklärte er schließlich.
„Und doch hat das Dorf erst gestern erneut einen Menschen durch diesen Wolf verloren.“, versuchte ich seine Erklärung zu widerlegen.
„Das, Mönch, war die Tat eines Werwolfes, eines Mannwolfes, wie ihr ihn nennt.“
„Aber es war doch ein solcher, der letzte Nacht...“
„Gewiss nicht, denn sonst wäre der Platz am Feuer mir gegenüber jetzt leer. Weiterhin ist ein Mannwolf von einem wirklichen Wolf durchaus zu unterscheiden. Denn ein Mensch verwandelt sich nie vollends in einen Wolf. Es handelt sich lediglich um einige Merkmale, die je nach Macht der unbefriedigten Triebe in größerem oder geringerem Maße hervortreten. Gewöhnlich sind es nur unscheinbare Anzeichen, wie verlängerte Fingernägel, spitze Ohren oder hervorstehende Eckzähne.“
Etwas war mir in der Erklärung merkwürdig erschienen.
„Unbefriedigte Triebe? Was soll das bedeuten? Sprecht ihr etwa von einer solchen Kreatur wie von einer Geisteskrankheit?“
„Nun, in gewissem Maße ist sie das ja auch.“
„Ich verstehe euch nicht. Erklärt es mir.“, forderte ich den gottlosen Priester auf.
„Der Wolf und seine Wildheit sind tief in unseren Urängsten verwurzelt. Schon vor langer Zeit ist er zum Inbegriff von tierhafter Wut und Grausamkeit geworden, doch ist er auch ein Teil von jedem Menschen, der tief in ihm verborgen liegt. Jenes, das wir fürchten, ist die Bestie in uns selbst. Wir übertragen die Abscheu vor unserem finstersten Innersten auf dieses Tier, um uns nicht dem Dunkel unserer Seele stellen zu müssen.“
„Was wollt ihr damit sagen, Seher? Sollen Wolf und Mensch etwa miteinander verwandt sein?“
„Das ist es! Und nicht nur das. Der Wolf ist ein derart bedeutender Teil des menschlichen Wesens, dass dieser ohne ihn nicht zu existieren vermag. Der Wolf in uns, ist Wut, ist Grausamkeit, Wollust, Begehren, Hass und Gier. Er ist alles, das wir verzweifelt zu verbergen suchen und doch niemals zu entbehren bereit sind.“
Er warf noch einige Pflanzen ins Feuer. Dann fuhr er fort:
„Die Triebe sind es, die uns unser Leben lang führen. Und sind wir auch oftmals nicht bereit, diese Tatsache zu sehen, so ist es trotzdem nicht unser, in Liedern und Hymnen hochgepriesener Verstand, der schaffende Geist oder das Wissen um die Zusammenhänge der Welt, die unser Leben bestimmen. Einzig Es ist es.“
[...]
„Woher kommt eure Annahme von der Verbindung des Wolfes mit dem Menschen? Warum gibt es, trotz all unseres Wissens, keine Bücher, die davon Zeugnis ablegen?“
„Aber die gibt es doch.“, schmunzelte mein Gegenüber. „Lest doch nur die Geschichten von den Begründern des mächtigsten Reiches, dass die Welt je gesehen hat. Waren es nicht Romulus und Remus, die, von ihren Eltern ausgesetzt, durch eine Wölfin großgezogenen wurden? Habt ihr euch nie gefragt, warum diese die Kinder nicht gefressen hat?“
„Sagen, Legenden von unsicherem Gehalt.“, erwiderte ich.
„In jeder Sage verbirgt sich stets ein Teil der Wahrheit. Aber gut, wie steht es mit eurer heiligen Schrift? Würdet ihr auch das dort niedergeschriebene als von unsicherem Gehalt beschreiben?“
„Nie käme mir etwas Derartiges in den Sinn.“
Erneut lächelte der Ungläubige.
„Gut, dann seid daran erinnert, dass es euer Messias, der Sohn eures einen Gottes, Jesus Christus, selber war, der in einer seiner Predigten vor Wölfen im Schafspelz warnte. Er wusste um das wahre Wesen des Menschen. Doch nicht einmal eure Kirche, deren Unfehlbarkeit ihr in eurer Verblendung ohne jeden Zweifel zu akzeptieren bereit seid, hat es bisher verstanden, die wahre Bedeutung dieser Worte zu erkennen.“
„Ihr benutzt und verdreht das Wort Gottes, wie es euch gefällt.“, versuchte ich seinen Reden Einhalt zu gebieten. „Es handelt sich in der heiligen Schrift hierbei lediglich um ein Gleichnis. Es soll den gottliebenden Menschen, vor jenen bewahren, die Gottes Wort und Befehl nur als Tarnung benutzen, um von ihrer, dem Teufel verfallenen Seele abzulenken.“
„Sagte ich das nicht soeben? Es ist euer Glaube, dass ein Werwolf seine Seele an den Teufel verkauft hat. Warum seid ihr dann nicht bereit, das Offensichtliche zu sehen?
Für einen Moment dachte ich daran, dass mich dies schon einmal jemand gefragt hatte. Doch dann musste ich darauf etwas antworten:
„Ich kann und will nicht glauben, dass in jedem Menschen die Saat Satans lebt und sein Handeln beeinflusst.“
„Eure Lehre von der Ursünde des Menschen, sagt sie nicht dasselbe?“
„Der Sohn Gottes gab sein irdisches Leben, um sie von uns zu nehmen.“
„Vergebens. Der Wolf ist vom Menschen nicht zu trennen ohne dass beide sterben. Euer Erlöser opferte sich ohne Lohn für seine Tat.“
Ich schwieg ein drittes Mal.
„Was ist euch, Mann des einen Gottes?“, fuhr der Seher unerbittlich fort.
„Erkennt ihr die Wahrheit, oder verbergt ihr euer Haupt und euren Verstand in der angenehmen Dunkelheit des Unwissens? Wissen ist nicht nur Macht, viel öfter noch ist es Schmerz.“
Es war genug. Ich hatte mehr gehört, als ich zu ertragen bereit war. Ich blickte ihn an, in der Hoffnung ein Anzeichen von Schwäche in seinem Gesicht zu finden. Doch vergebens war mein Ansinnen.
„Ihr sitzt hier selbstgefällig am Feuer, umgeben von eurer kleinen heidnischen Welt, meint alles zu wissen und erkannt zu haben. Ihr stellt alles in Frage, woran ich mein Leben lang geglaubt, und wonach ich gehandelt habe, und dann fragt ihr noch, was mir sei?
Recht habt ihr, die Wissenden leiden einen großen Schmerz, doch ist er noch um ein vielfaches geringer, als der desjenigen, der seine Unwissenheit durch Verleumdung und gotteslästerliche Theorien zu verbergen sucht. Dieser flieht vor dem Schmerz, doch führt ihn sein Weg fernab des Lichtes in die Dunkelheit.“
„Und das unterstellt ihr mir?“, fragte der Mann der alten Religion. „Seht mich an. Mir steht kein Angstschweiß auf der Stirn, meine Hände zittern nicht. Ich bin frei von Schmerz. Via stulti recta in oculis eius, qui autem sapiens est audit consilia.“
„Der Weg des Narren scheint in seinen Augen recht, der Weise aber hört auf Rat.“
„Die Worte des weisen Königs Salomon.“, bestätigte er.

Leseprobe III.
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, rannte ich durch die endlose Kirche zum Tor und riss dieses mit all meiner Kraft auf. Draußen hatte Albrecht soeben ein letztes Mal den endgültigen Urteilspruch des Altenrates den Dorfbewohnern verkündet und stand nun schweigend vor dem Scheiterhaufen, in dessen Mitte Meinwerk an einen Pfahl gefesselt war. Die Menge hingegen grölte und schrie durcheinander, wie kreischende Aasgeier mit der Aussicht auf Beute.
Ich stürmte auf den Marktplatz und brach weit durch die Masse der Menschen hindurch, wollte vordringen bis zu Albrecht, doch einige von ihnen packten mich und drückten mich zu Boden. Man solle einhalten, schrie ich in das Getöse hinein, aber niemand war bereit sich ein weiteres Mal von mir das Gefühl der Sicherheit rauben zu lassen. So war ich gezwungen das Folgende aus nächster Nähe mit anzusehen.
Während sich Björn, der zum Henker bestimmt wurde, mit einer entzündeten Fackel dem brennbaren Holz näherte, rannen Tränen die Wangen meines Freundes herab. Leidvoll blickte er in die Gesichter der nach Tod Gierenden um ihn herum, die einstmals seine Schäfchen waren. Doch dann hob er den Kopf, und als er gen Himmel blickte, waren seine Gesichtszüge wieder so ehrwürdig und gütig, wie ich sie für den Rest meines Lebens in Erinnerung behalten wollte. Orangerot spiegelte sich schon die züngelnde Flamme der Fackel in seinen glänzenden Augen, als er leise begann zum letzten Mal auf Erden die Worte der heiligen Schrift zu sprechen:
„Iudica me Domine, quoniam ego in innocentia mea ingressus sum, et in Domino sperans non infirmabor.“
Kniend im Dreck der Straße sprach ich die Worte mit ihm.
„Hilf mir zu Recht, Herr! Denn in Lauterkeit bin ich gewandelt, und auf den Herrn habe ich vertraut; ich werde nicht wanken.“
„Dixit insipiens in corde suo: 'Non est Deus'.“
„Der Tor spricht in seinem Herzen: 'Es ist kein Gott'.“
Dann wurde der Scheiterhaufen in Brand gesteckt. Flammen loderten auf, verschlangen das Öl, mit welchem das Holz getränkt war, in teuflischer Gier und den Leib meines Freund in einem gleich mit. Aber Meinwerk stand nur still da, als er in dem flammenden Inferno für immer aus dem Leben entschwand.
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Um Kritik wird gebeten...


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Lost Boy
Der dunkle Ringer



Anmeldungsdatum: 30.11.2003
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BeitragVerfasst am: 21 Jan 2005 15:25 
   Titel:
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So, dann mal ein lange überfälliges Update:

Das Buch ist   hier endlich erschienen.
Viel Spaß damit...


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Gast






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BeitragVerfasst am: 24 Jan 2005 02:16 
   Titel:
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