Knochenhaus

[Der Scheißtyp]

Das Internet gewährt uns tiefe Einblicke in die Abgründe von Musikerseelen:



[Schwarze Seiten] Was war für Euch die Hauptinspiration für "Kaltes Licht"?



[Johannes] Ich habe mich weiterentwickelt. (...) So haben mich Begebenheiten in meiner Jugend inspiriert, wie z.B. die Phase meiner Schulzeit, in der ich begreifen musste, das meine Freunde in höheren Klassen bald mit ihrem Abschluss die Schule verlassen würden, während ich unweigerlich zurückbleiben musste.



 http://www.schwarzeseiten.de/index2.htm



Ok, sitzengeblieben bin ich nicht, aber auch in meiner Kindheit gab es Erschreckendes:



So erinnere ich mich z.B. an meine Phase des Planschbeckens, in der ich begreifen mußte, daß meine älteren Freunde alle ins Sprungbecken abwanderten, während ich allein mit meinen Schwimmflügelchen unweigerlich zurückblieb und ein wenig beachtetes, graues Dasein im Nichtschwimmerbecken fristen mußte.



Und dann war da noch die Sache mit dem Schnuller! Aber das ist eine andere Geschichte...



RIG

[CelloJoe]

[ Diese Nachricht wurde geändert von: CelloJoe am 2002-02-01 04:58 ]

[komatose]

Na da ist aber einer sprachlos



Ich musste auch gleich zum Taschentuch greifen...

[Gitarrenguru]

Tja,

sein wir alle dankbar für das, was sich mit dem Schnuller in RIG´s Kindheit abgespielt hat. Denn ohne Schnullerstory würde es Janus in dieser Form vielleicht gar nicht geben.Was ja auch irgendwie schade wäre.....



Schwark

[RIG]

Wahre Worte Schwark! Und für alle, die die (tatsächlich wahre) Schnullerstory noch nicht kennen, hier der entsprechende Ausschnitt aus dem damaligen BODYSTYLER-Interview:



"Als Kleinkind war ich auf bedenkliche Art und Weise geradezu festgewachsen an meinem Lieblingsschnuller. Eines Tages kam mein Vater zu mir und meinte, es wäre jetzt an der Zeit mit dem Schnullern aufzuhören. Er machte mir folgenden Vorschlag: „Begrab den Schnuller irgendwo im Garten und wenn du es doch nicht ohne ihn aushältst, buddelst du ihn eben wieder aus.“ Schweren Herzens vergrub ich also den heißgeliebten Schnulli. Schon am nächsten Tag bereute ich meinen Entschluß, was dazu führte, daß ich den ganzen Garten umgegraben habe, ohne meinen Schatz wiederzufinden. Ich verfiel in tiefste Depression. Das Thema Schnuller war für immer gestorben. Hätte es damals schon GOETHES ERBEN und LACRIMOSA gegeben, sie wären mit Sicherheit meine Seelenverwandten geworden, verarbeiten sie in ihrer Musik doch vergleichbare Schicksalsschläge... Jahre später erführ ich übrigens, daß mein Vater, dieser hinterhältige Schuft, den Schnuller einfach ausgegraben und in den Müll geschmissen hatte."

[CelloJoe]

...und wie Phoenix aus der Asche erblickte JANUS Jahre später das Licht dieser Welt....

[Nibelheim]

Diese Schnullergeschichte läßt auch mir ein gar heißes Tränlein aus dem trüben Auge fließen, allerdings schwanke ich (nein, nein, kein Alkohol im Spiel..) zwischen Freude und Anteilnahme als Begründung. Immerhin bin ich froh, daß es JANUS gibt, mit Lacrimosa habe ich die Zweisamkeit schon länger beendet und NUR Goethes Erben, nein, das geht auf Dauer nicht gut. Was JANUS mit weißem Licht im Schrein der Lolita sonst noch so verzapft hat, bleibt einstweilen geheimnisvoll vergraben, wie der ehemals geliebte Schnuller von RIG (oder war es der von Johannes?). Muss mal nachsehen, ob der Vater etwa.....

Winterreise im Sommer, warum nicht? Nibelheim grüßt.

[Das_Miststück]

Ich entschuldige mich, euer heiteres Thema zu beschatten, doch zum Thema Kindheitstrauma fällt mir eine Geschichte ein...also lauschet und seit ganz still...



Als das Miststück noch ganz klein war, und im kalten Sibirien lebte, ist eines kalten Wintertages ihr Großvater gestorben. Da das Miststück als Kind oft sehr krank war, lebte es die meiste Zeit bei ihrer Großmutter, die es immer pflegen konnte. So ist es aber Brauch zu Russland, die Toten in ihrem Hause aufzubahren, was desweiteren auch nicht irgendwie negativ wäre, wenn die Organisation des Staates, in einzelnen Fällen, etwas besser funktionieren würde. So kam es aber, dass der tote Großvater anstatt zwei Tagen und einer Nacht, ungefähr 2 Wochen im Wohnzimmer stand und vor sich hin verweste. Und hinter der Tür, im Schlafzimmer der schnarchenden Großmutter lag das kleine Miststück auf dem alten Sofa. Es konnte einfach nicht schlafen, weil es den Opa im offenen Sarg hinter der Tür, nicht aus dem Kopf bekam. Wahrscheinlich hätte es am Tage nicht davorsitzen sollen und beobachten wie dem Verblichenen die Augen und der Mund abwechselnd aufgingen.

So kam es aber, und das Miststück lauerte schlaflos in ihrem Bett. Es lauschte, horchte, starrte... und tatsächlich... Schritte!

Ein Knarren des alten Fußbodens, bei welchem sich wohl ein jeder Tote im Grabe umdrehen würde. Und das ohrenbetäubende Schnarchen der Großmutter, welches den Verstand zum phantasieren brachte, um die Lücken des Hörens zu füllen...

Zitternd und voller Angst flüstert das kleine Miststück..."Großmutter... Großmutter, wach auf!".

Nach einer Weile fängt das Schnarchen an sich zu überschlagen, als würde die große Zunge in den ziehenden Schlund eingesogen werden. Sie erwacht.

"Großmutter, so hör doch, die Schritte, hörst du sie denn nicht?"

Sie hält ein und - tatsächlich! -es ist noch immer da... das Knarren...

Voller Verzweiflung befürchtet das Miststück verrückt geworden zu sein, doch schon bald wendet sich ihr der große Körper ihrer Großmutter zu und das Miststück hält den Atem an...

"Fürchte dich nicht, Kindchen... Es ist nur der Geist deines Großvaters, der keine Ruhe findet, und umherirrt..."

Die Großmutter drehte sich um, und schon nach wenigen Sekunden setzte sich das knochensägende Schnarchen fort. Das Miststück war ihrer Welt nicht mehr vertraut. Es saß verwirrt in ihrem Sofa und starrte mit weit aufgerissenen Augen in die Dunkelheit, die bizarre Fratzen an die Wände malte...

Wo ist die Grenze zwischen Realität und Wahrnehmung? Wie es der Weg des Sieges über die Angst?

...

Licht aus.

...

Augen zu.

[Der Scheißtyp]

Na, dann vermute ich fast mal, daß dein Lieblingslied von JANUS auf den Namen "Flüsterer im Dunkeln" hört:



"Wenn du zu Bett bist, Mutter

hör ich, wie die Türe geht

unten, im Salon der Toten..."



Wirklich beruhigendes hatte deine Großmutter ja nicht gerade beizutragen, um die Situation zu entschärfen, aber wie man ja bereits bei Rilke zum Thema "Kindheitstrauma" nachlesen kann:



"Gab es Worte für dieses Ereignis, so war ich zu klein, welche zu finden. Und plötzlich ergriff mich die Angst, sie könnten doch, über mein Alter hinaus, auf einmal da sein, diese Worte, und es schien mir fürchterlicher als alles, sie dann sagen zu müssen."



In diesem Sinne,

der Scheißtyp

[Das_Miststück]

Das hast du äußerst scharf beobachtet, wehrter Scheißtyp. Als ich nämlich zum ersten Mal den "Flüsterer im Dunkeln" hörte, war ich ziemlich entsetzt... Die Empfindungen waren mir erschreckend vertraut. Doch näher noch, ist mir das Lied "Schwarzer Wittwer".



Das Horchen in die Wohnung, ob sich etwas regt...

Das Nylonband zur Verstärkung der Kontrolle...

Das endlose Starren in die Dunkelheit...



... mir alles nur zu gut vertraut. Entschuldige, der Wortlaut ist mir entfallen.

Und wenn du in diesen Liedern rufst, mit deiner Stimme, die so eindringlich ist, und so genau das vermittelt, WAS du rufst, dann kriege ich eine Gänsehaut.



Meine Geschichte ist nur eine von vielen, die mich ausmachen. Sie war im Grunde nur ein kleiner Bausatz, der zum momentanen Endergebis führte. Mein zweiter Großvater ist auch tot. Und auch er wurde aufgebahrt. Doch ist ist eine andere Geschichte, die ebenfalls nicht spurlos an meinem Kindesverstand vorbeizog. Aber das Miststück ist jetzt sehr fröhlich und möchte sich nicht in die Vergangenheit zurückversetzen. Es tut immer das, wonach ihm gerade ist, und jetzt geht es auf die Toilette. Weil das Miststück nichts besonderes ist, eben nur ein Mensch wie jeder andere. Und es ist gerne "nur" Mensch.



Ergebenst...

[RIG]

Gerade für Kinder kann so eine Form des Abschiednehmens ungeahnte Auswirkungen haben und sich regelrecht ins Gedächtnis einbrennen... Wenn dann noch die Kerzen flackern und deren Schatten das wächserne Gesicht des Toten aussehen lassen, als würde es sich doch noch bewegen oder eine Regung wiederspiegeln...

[Nibelheim]

... dann ist einerseits die Zeit gekommen, endgültig Abschied zu nehmen. Andererseits stellt sich die Frage, wohin das wächserne Antlitz entschwinden wird, oder bleibt es gar für immer da, wo es sich soeben befindet, wird es zu einer allgegenwärtigen Fata Morgana, zu einem Bestandteil des Schreckens, einer Aura des Bösen. Wird der leblose Körper in dunklen Nächten sein Unwesen treiben und trauernden Angehörigen den Schlaf rauben? Es bietet sich Raum zu endlosen Diskussionen...

[Nibelheim]

... dann ist einerseits die Zeit gekommen, endgültig Abschied zu nehmen. Andererseits stellt sich die Frage, wohin das wächserne Antlitz entschwinden wird, oder bleibt es gar für immer da, wo es sich soeben befindet, wird es zu einer allgegenwärtigen Fata Morgana, zu einem Bestandteil des Schreckens, einer Aura des Bösen. Wird der leblose Körper in dunklen Nächten sein Unwesen treiben und trauernden Angehörigen den Schlaf rauben? Es bietet sich Raum zu endlosen Diskussionen...

[Das Miststück]

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[castorj]

komme ich mir vor wie im film oder eher wie in einem buch?ich weiss es nicht.vielleicht liegt es auch nur daran, dass ich tote bisher nur in ganz normaler stellung sah.miststueck: wie lange hast du eigentlich dort gewohnt, wo sich deine kindheit abspielte?



castorj