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dieKleineVonNebenan Alter Knochen
Anmeldungsdatum: 16.02.2006 Beiträge: 200 41.548 Worte gesamt
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Verfasst am: 13 Jun 2007 18:03 Titel: aehm titellos... |
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Heute morgen, weißt du noch?
Als ich heute morgen aus dem Bett stolperte.
Du sahst mir doch zu.
Als ich mich aus dem Bett und ins Bad quälte.
Im Spiegel sah ich mich nicht, vielleicht sah ich einfach nicht genau hin.
Du kamst nach und schautest mir zu. Drängeltest dich im engen Raum an mir vorbei.
Still warst du.
Leise war ich.
Und wieder gingen wir unserem Alltag nach, wir rannten und stolperten ab und zu.
Wir rannten in unsere Büros, du trugst deinen schwarzen Anzug mit dem Rock. Es stand dir gut.
Tagüber sah ich dich nie oft und wollte, ausnahmsweise, mit dir zu Mittag essen. Ich holte dich ab.
Ich aß nichts. Ich hatte keinen Hunger.
Und der Kellner war unfreundlich genug, mir nicht einmal ein Glas Wasser zu bringen. Die Beschwerden ignorierte er ganz.
Ich sah dir beim Essen zu.
Du liesest mich nicht einmal bezahlen.
Weißt du, du bist noch immer sehr schön. Deine Haare, wie Gold. Deine Lippen, noch immer so sinnlich und rot, als warteten sie nur auf einen Kuss. Auf den einen Kuss, der dir meine Welt zu Füßen legen würde. Ich wollte schon lange, sehr lange, dir diese eine Frage stellen. Mich dir geben, nur dir. Deine Haut, weich, ich weiß es, obwohl du die letzten Tage, immer wieder, zusammengezuckt bist, bei jeder meiner Berührungen.
Deine Augen aber leuchten nicht mehr. Du schaust bedrückt und mich nicht mehr an. Habe ich etwas getan? Etwas verbrochen? Ich wollte nicht, alles was ich will ist doch, dich lieben.
Nur dich lieben.
Ich vermisse dein Lächeln, deine Stimme.
Und streichelte sanft deine Wange.
Warum schautest du so erschrocken auf? Und ranntest davon.
Ich blieb noch etwas sitzen und folgte nach.
Die Welt ist grau. Kaum lächelst du nicht mehr, tut es die Welt auch nicht.
Die Welt ist still. Wie durch einen Schleier sah ich die Straße, vorbeirasende Autos, Wolken, Bäume. Alles leise und langsam.
Als ich zu Hause angekommen war, warst du bereits auf der Couch eingeschlafen.
Ich legte eine Decke um dich und ließ dich schlafen. Du sahst so ruhig aus.
Ich schlief im Bett allein.
Der Wecker klingelte am Morgen.
Du standest auf, stelltest ihn aus und gingst ins Bad.
Der Wecker klingelte.
Klingelte.
Klingelte.
Keiner dachte daran, sich nach ihm zu strecken.
Es war Morgen, der Wecker klingelte nicht.
Wir schliefen noch.
Ein Morgen, ohne Wecker.
Ich sah dir beim Schlafen zu.
Der Wecker klingelte am Morgen.
Du hattest einen neuen besorgt.
Wann?
Dein gewohnter Weg ins Bad.
Frühstück.
Arbeit.
Du kamst wieder.
Ich lag noch im Bett.
Du hast nicht danach gefragt. Irgendwann legtest du dich dazu.
Der Wecker.
Bad.
Frühstück.
Zögerlich.
Du allein.
Ich beschloß dir Gesellschaft zu leisten.
Du sahst mich nicht.
Sanft massierte ich deine Schultern.
Du weintest.
Ich hatte versucht dich zu trösten.
Du sahst durch mich durch.
Wir gingen früh schlafen.
Ich hatte noch gefragt, ob wir nicht mal wieder ausgehen könnten.
Du antwortetest nicht.
Wir schliefen ein.
Der Wecker klingelte nicht.
Ich sah dir beim Schlafen zu.
Gegen Mittag standest du auf und kleidetest dich in Schwarz.
Keine Trauer, meine Liebe, sagte ich und strich dir durchs Haar.
An mir vorbei gingst du aus der Tür, aus dem Haus.
Ich folgte dir, immer wieder drehtest du dich nach mir um. Doch du wartetest nicht.
Ich ging neben dir.
Du schautest auf die Straße.
Die Welt ist grau!
Schleier.
Vielleicht sollte ich zum Augenarzt?
Du gingst durch das dunkle Tor.
An Grabsteinen vorbei.
Was willst du hier?
Ist jemand verstorben?
Deswegen das Schweigen?
Die Bäume waren grün. Ich hörte sie rauschen.
Der Himmel war blau.
Sie sollte strahlen, dachte ich.
Alles was sie sollte, ist glücklich sein.
Ich wollte dich doch immer nur glücklich machen.
Sie lief mir vorraus.
Ich folgte schweigend.
Sie stand vor einem frischen Grab.
Also doch jemand verstorben, dachte ich.
Ich werde sie trösten müssen.
Warum nur hatte sie nichts davon gesagt?
Sie fiel auf die Knie.
Sie weinte.
Ich kniete mich hinter sie und legte meine Arme um ihre Schultern.
Sie wird mich brauchen.
Sie zuckte zusammen.
Würde sie auch um mich trauern?
Und sah mir den schlichten Grabstein an.
Sie tat es.
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wie gehabt, kommentare erwünscht
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_________________ irgendwie abwesend...
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edenfelsen Alter Knochen
Anmeldungsdatum: 30.08.2006 Beiträge: 219 61.547 Worte gesamt
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Verfasst am: 13 Jun 2007 20:10 Titel: |
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Nun, ein paar Worte begleiteten mich als ich dieses Stück gelesen hab:
Melancholie, Träumerei, Faszination und Respekt.
Da ich nicht weiß, ob die Worte klar genug sind: Das Stück gefällt mir wirklich. Nach dem Einstieg hätte ich nicht gedacht, in welche Richtung sich die Geschichte noch entwickelt. Mir gefielen auch die "Weckerpassagen".
Wie lange hast du an dem Werk geschrieben?
Liebe Grüße
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dieKleineVonNebenan Alter Knochen
Anmeldungsdatum: 16.02.2006 Beiträge: 200 41.548 Worte gesamt
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Verfasst am: 13 Jun 2007 23:11 Titel: |
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ich nehme an nicht so lang *g* hab ich in nem block geschrieben, selber kulli, durchgehend... habe es nur mal abgetippt...
vielen dank für die rückmeldung
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_________________ irgendwie abwesend...
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Dead Man Petzender Smileyfetischist
Anmeldungsdatum: 16.03.2004 Beiträge: 1949 83.759 Worte gesamt Wohnort: Zwischen den Teichen
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Verfasst am: 13 Jun 2007 23:28 Titel: |
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Gefällt mir sehr gut. Im letzten Drittel hatte ich schon befürchtet, es wird zu offensichtlich, zu viel erklärt, aber ich lies mich eines besseren belehren. Wirklich schön.
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_________________ no hope = no fear
stay negative!
Was hat mich da geritten?
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dieKleineVonNebenan Alter Knochen
Anmeldungsdatum: 16.02.2006 Beiträge: 200 41.548 Worte gesamt
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Verfasst am: 14 Jun 2007 06:50 Titel: |
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merci... aber im grunde fand ich es recht offensichtlich, durchgehend. vielleicht weil ich das ende schon kannte O.o
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_________________ irgendwie abwesend...
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Dead Man Petzender Smileyfetischist
Anmeldungsdatum: 16.03.2004 Beiträge: 1949 83.759 Worte gesamt Wohnort: Zwischen den Teichen
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Verfasst am: 14 Jun 2007 10:38 Titel: |
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dieKleineVonNebenan hat folgendes geschrieben: | merci... aber im grunde fand ich es recht offensichtlich, durchgehend. vielleicht weil ich das ende schon kannte O.o |
Ich fand es auch offensichtlich genug. Deshalb hätte es mich gestört, wenn es, sagen wir mal, für die Bild-Leser, nochmal mundgerecht serviert worden wäre.
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_________________ no hope = no fear
stay negative!
Was hat mich da geritten?
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dieKleineVonNebenan Alter Knochen
Anmeldungsdatum: 16.02.2006 Beiträge: 200 41.548 Worte gesamt
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Verfasst am: 14 Jun 2007 10:57 Titel: |
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Dead Man hat folgendes geschrieben: |
Ich fand es auch offensichtlich genug. Deshalb hätte es mich gestört, wenn es, sagen wir mal, für die Bild-Leser, nochmal mundgerecht serviert worden wäre. |
Das ist eine schöne Ergänzung, danke 
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_________________ irgendwie abwesend...
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edenfelsen Alter Knochen
Anmeldungsdatum: 30.08.2006 Beiträge: 219 61.547 Worte gesamt
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Verfasst am: 14 Jun 2007 16:38 Titel: |
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hat mich auch - von der Atmosphäre - ein klein wenig an einen Film erinnert, aber für sowas fehlt mir einfach der sechste Sinn...
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dieKleineVonNebenan Alter Knochen
Anmeldungsdatum: 16.02.2006 Beiträge: 200 41.548 Worte gesamt
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Verfasst am: 14 Jun 2007 20:27 Titel: |
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welchen denn?
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_________________ irgendwie abwesend...
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edenfelsen Alter Knochen
Anmeldungsdatum: 30.08.2006 Beiträge: 219 61.547 Worte gesamt
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Verfasst am: 14 Jun 2007 22:32 Titel: |
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An "The Sixth Sense" - ist länger her das ich den sah, daher kann ich mich auch irren, aber der Wendepunkt im letzten Drittel deiner Geschichte löste einen ähnlichen "Aha-Effekt" bei mir aus, da er ein anderes Licht auf den bereits gelesenen Teil wirft.
Liebe Grüße und einen schönen Abend
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